Die Überwindung von Rebellion, Scham, Schuld und Selbstbestrafung

Der Hoffman-Quadrinity-Prozess – ein Erfahrungsbericht von Kirsten Schäfer-Hellberg
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages und der Autorin, entnommen aus: Lebensart – Das Magazin für Lebenskunst, Nr. 1 Jan./Feb. 1995

Der Hoffman-Quadrinity-Prozess ist… ein mächtiges Werkzeug für die Entfaltung der Liebe für sich und andere.” Diese Worte von Claudio Naranjo kann ich aus eigener Erfahrung als Teilnehmerin an dem “Prozess” nur voll bestätigen. Als “gelernte” Psychoanalytikerin, vertraut mit allen wichtigen zeitgemäßen Methoden und in dem Bewusstsein, doch über mich eigentlich alles zu wissen, ging ich in diesen Prozess. Ich war immer wieder auf diesen “Prozess” angesprochen worden. Im Grunde ging ich also nicht für mich, sondern für meine Klienten und aus rein wissenschaftlichem Interesse dahin, man muss ja auf dem Laufenden sein.

In dieser Überheblichkeit wollte ich also “Die neue 8-Tage-Therapie, Crash-Kurs für die Seele”, so war es mir angekündigt worden, kennenlernen. Nach Bearbeitung des zugesandten umfangreichen Vorbereitungsmaterials war ich schon etwas verunsicherter und betroffener. Was mich dann am Tagungsort erwartete, nahm mich sofort gefangen. Alles war anders, als man es normalerweise erwartet. Sofort wurde ich, mit einer zunächst nicht durchschaubaren, weil auch so einfachen Methodik, mit mir selbst konfrontiert. Von dem Moment an war ich in einer Arbeit mit mir selbst, deren Intensität für mich vorher unvorstellbar gewesen war. Sie sollte die ganzen 8 Tage anhalten und dem Namen “Crash-Kurs” alle Ehre machen. Der “Prozess” hatte begonnen. Er führte mich in den nächsten 2 Tagen in meine eigene innere Hölle, in der ich konfrontiert wurde mit der Negativität meines Wesens. Ich konnte erkennen, dass diese erlernt war von den Eltern, die auf Grund eigener Prägung durch ihre Eltern in einer “negativen Liebe” (Hoffman) negative Verhaltensmuster auf mich übertragen hatten.

Diese haben mein wahres Wesen, meine wirklichen Begabungen, Wünsche und Bedürfnisse nicht sichtbar werden lassen. Vor allem aber wurde das eine Bedürfnis, das eigentliche Geburtsrecht eines jeden Kindes, nicht erfüllt: Das in bedingungsloser Liebe angenommen werden. Ein unglaublicher, tief verdrängter Schmerz konnte sich endlich lösen. Er wurde entladen in einer Anklage der Eltern und in einer körperlichen Bearbeitung der durch das fremdbestimmte Verhalten im Körper festsitzenden Muster. Sie sind z.B. Auslöser für psychosomatische Beschwerden. Mit der Muttermilch beginnen wir ja, diese Muster aufzunehmen und haben keinerlei Chance, uns dagegen zu wehren. Wir müssen diese “negative Liebe” für wahre Liebe halten, da wir keine andere Form der Liebe kennen und ohne irgendeine Form von “Liebe” nicht leben könnten. In einem Strom von Tränen wurde die schmerzliche Einsicht ertränkt:

Du bist nicht geliebt worden, und du konntest deshalb nicht lernen, dich selbst zu lieben. So wurdest du neurotisch, im Sinne der so klaren wie wahren Definition von Bob Hoffman: “Neurose ist der Zustand des sich nicht geliebt Fühlens.” Das ist nicht neu, werden jetzt einige sagen, das leisten andere Therapien auch. Das ist richtig, aber viele schaffen das nicht in dieser Zeit und hören an dieser Stelle auf. Sie lassen mich mit dieser Einsicht allein, was die bösen Folgen der Schuldgefühle und der Selbstbestrafung nach sich ziehen kann, was mich immer mehr in diese Neurose treibt und mich immer wieder nach neuen Therapien suchen und unter Umständen therapiesüchtig werden lässt.

Der “Prozess” hatte gerade erst begonnen. Wie in jedem ordentlichen Prozess folgte auf die Anklage die Verteidigung. Mit Hilfe voll durchdachter, ausgereifter und von den begleitenden Therapeuten professionell angewandter Methodik wurde ich nun zu meiner eigenen Intuition und Spiritualität geführt, in meinen eigenen Himmel, in dem ich ab jetzt immer wieder schwelgen, auftanken und mich sehen und lieben lernen konnte. So wurde ich in die Lage versetzt, wirkliches Verständnis und Mitgefühl und damit die Voraussetzung für eine aufrichtige, liebevolle Beziehung zu meinen Eltern zu finden. Ein wirkliches Verzeihen wurde über das Zurückgeben von Schuld ermöglicht. Hiermit fand ich die Voraussetzung für die endgültige Lösung von den Eltern, die Grundlage für das eigene Erwachsenwerden.

Über Methoden und Techniken, die unglaublich tiefgehende, schmerzliche und glückhafte Erfahrungen ermöglichen, wurde ich zu einem Urteil geführt, denn auch das gehört zu einem ordentlichen Prozess. Es lautet: Alle sind schuldig, aber niemand kann verurteilt werden. Die Begründung: Es handelt sich hier um karmische Schuld, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Jetzt sah ich mich in der glücklichen und verantwortungsvollen Situation, diesen karmischen Wiederholungszwang der Generationen zu durchbrechen, den Fluch der “ungeliebten Kinder” aufzuheben. Das aber entlässt mich in eine Eigenverantwortlichkeit, in der ich niemandem mehr die Schuld für mein Tun und Handeln zuschieben kann.

Von diesem Moment an muss ich die Verantwortung für mich selbst übernehmen. – Aber genau das habe ich doch immer gewollt! – Diese Einsicht ließ mich ein wirkliches Glücksgefühl empfinden. In einem Gefühl der Einheit mit mir selbst, mit den 4 Teilen meiner Persönlichkeit, der “Quadrinität” von Körper, Gefühl (Emotionalem Selbst), Intellekt und Geist (Spirituellem, Höherem Selbst), in einem Gefühl von Selbstliebe, Selbstannahme und Selbstverantwortung endete für mich der “Prozess” in dem geschützten Raum der 8-Tage-Kur, unter der qualifizierten und liebenden Führung der Therapeuten oder “Lehrer”. Immer wieder war es ihnen gelungen, mich aus der Hölle meiner Verzweiflung und meines Schmerzes herauszuführen in meinen Himmel, mein Licht, um mein Leben zu sehen und zu erfahren, dass ich es gestalten kann, ich der Schöpfer meines Glückes bin, sein darf. Das ist meine Wirklichkeit, ist Gegenwart. Alles andere ist Vergangenheit, und die ist tot.

Wie nach einer Operation fühlte ich mich in vielen Bereichen meiner Persönlichkeit umstrukturiert, verändert, erneuert. Aber auch unsicher, wie würde das gehen, draußen, wo sich nichts verändert hat, wo alles beim Alten geblieben ist? Der Prozess wird weitergehen, und auch dafür bekam ich eine Menge Hilfen und Werkzeuge mit auf den Weg, wenn es, oder damit es nicht zu Rückfällen kommt. In Treffen mit der mittlerweile schon beträchtlichen Zahl der Quadrinityerfahrenen werde ich immer wieder Hilfen, Anregungen und Stützen finden, bis ich ganz sicher und heil sein werde.

Dieser eher “trockene” Erlebnisbericht kann, gemessen an der erlebnisreichen Gestaltung, den tatsächlichen Ablauf des Kurses mit all den körperlichen, emotionalen und spirituellen Empfindungen und Erfahrungen nicht im Geringsten widerspiegeln, das muss man erlebt haben. Es ist unfassbar, was in einer Woche passieren und geleistet werden kann. Zwei Leben flossen an mir vorbei – mein altes, negatives Leben, so wie es bisher war, mit all den Schmerzen und Enttäuschungen und Leiden – und ein Anderes, das auch immer schon da war, als Wunsch, Hoffnung, Möglichkeit und das jetzt wirklich wurde in meiner Vorstellung und das alte immer mehr ablöste, bis ich merkte, das ist Vergangenheit, das kannst du loslassen, das brauchst du nicht mehr, du kannst frei in der Gegenwart leben und deine Zukunft gestalten. So fuhr ich nach Hause, und mein Leben änderte sich radikal. Tonnenweise warf ich alten Krempel auf den Müll, renovierte meine Wohnung, ließ Licht und Farbe herein, wurde 20 Pfund leichter und schnitt mir die Haare ab. Ich öffnete mich meinen und den Gefühlen anderer Menschen für mich, ich begann wieder zu leben!

Ich bin noch nicht durch – was 50 Jahre aufgestaut war, ist nicht in einem halben Jahr überwunden. Doch die Methode greift und hält vor. Ich halte sie für die beste und effektivste psychologische Technik, die zur Zeit verfügbar ist. Es scheint zu stimmen, was Hoffman prophezeite, sie kann Therapeuten überflüssig machen. – Was mache ich dann? – Ich schreibe, denn auch das wollte ich schon immer, aber meine Mutter war Journalistin. Dieser Artikel ist der Anfang, und ich weiß, er ist gut. Der “Prozess” ist nicht billig, aber für mich war er jede Mark wert, für das, was ich gewonnen habe: “Die Liebe ist das Kind der Freiheit”, und ich bin frei zu sagen: “lch liebe mich als die, die ich bin, und ich bin glücklich, ich selbst zu sein. Danke.