PETER KOPPELMANN

Erfahrungsbericht vom Quadrinity-Prozeß 23.-31.August 2002

Eine Woche, die aus dem Vollen schöpft ! Hätte mir jemand gesagt, daß eine Crash-Therapie, die etwas bringen soll, auch noch Spaß macht, ich hätte ihn/sie nur ungläubig angesehen. Außer die Berichte im Internet hatte ich so gut wie nichts von diesem Prozeß gehört. Mir kam es gelegen, daß er in einer kompakte Woche stattfinden sollte. Ich hatte noch nie eine andere Therapie hinter mich gebracht, sodaß ich relativ unvoreingenommen war. In meinem Erfahrungsbericht werde ich nicht auf Details eingehen, weil dadurch die Vorwegnahme mancher Dinge ihrer Wirksamkeit beraubt werden könnten.


Vorbereitung:
Ich bekomme Informations- und Vorbereitungsmaterial zugesendet. Zunächst erscheint mir alles zuviel und Erklärungen immer wieder an einer anderer Stelle wiederholt. “Schon wieder so ‘ne Ami-Macke…”, denke ich und bin bereits darüber ein wenig genervt. Ich fülle dennoch die Bögen lustlos aus – ”…wird schon seinen Sinn haben…”.


Nullter Tag (Ankunft in der Proitzer Mühle):
Erst jetzt bin ich wirklich nervös; nervös darüber, wer noch so dabei ist und was die Therapie für mich bringen wird. Es kommen jüngere, ältere, dickere, dünnere, traurigere, fröhlichere Menschen, 16 an der Zahl – so bunt wie das Leben überall. Wir werden aufgefordert, unser Vorbereitungsmaterial tüchtig zu vervollständigen. Also ein Abend mit Schreiben – na toll…


Erster Tag:
Beim Frühstück tauen wir auf: Erste Gespräche mit den anderen. Programm: Schreiben. Noch nie habe ich derart intensiv in meine eigene Vergangenheit geschaut; ich bin überrascht, was ich alles behalten habe. In der Gruppe stellt sich nun jeder Einzelne mit seinem Hauptproblem, weswegen er/sie hier ist, den anderen vor. Ich finde es sehr interessant, mit welchen Geschichten jeder Mensch doch beladen ist. Nach verschiedenen Übungen und Gesprächen machen wir eine Visualisierung. Ich fühle zuerst Widerstände dagegen, weil ich erst Hemmungen habe, und weil ich daraufhin wütend werde, so daß ich mich gar nicht mehr so recht konzentrieren kann. Ich habe bereits jetzt die Schnauze voll! Aber glücklicherweise überlege ich, daß diese Grenze in mir, dieser Widerstand ein ganz gutes Zeichen ist, denn ich bin ja schließlich hier, um bestimmte Grenzen oder Mauern in mir zu sprengen.


Zweiter Tag:
Ich habe schlecht geschlafen. Nach dem Frühstück stellt sich noch einmal jeder vor – diesmal etwas ausführlicher. Das schafft Verbundenheit und Vertrauen zu den anderen. Bereits gestern sah ich die ersten Tränen, aber heute ergreift es einen Jeden. Allmählich kommt in mir ein Gefühl von Familie auf.
Visualisierung:

Eine wunderbare Erfahrung (m)einer mir bis dahin unbekannten Wirklichkeit. Ich bin ganz überrascht und beglückt, daß mir die Tränen kommen; denn Weinen ist mir so gut wie unmöglich gewesen. Nach dem (übrigens immer hervorragenden) Mittagessen sollen wir wieder schreiben – reichlich. Danach wird darüber gesprochen, bevor es zu einer körperlichen Arbeit kommt. Sie wird später eine der Grundlagen für die weitere Arbeit an uns selbst bilden. Im Gespräch wird herausgefunden, ob die Arbeit erfolgreich war, und was oder wie ich mich möglicherweise dabei behindert haben könnte. Ich bin erstaunt, mit welchem sicheren Blick die Therapeuten erkennen. Also heißt es wieder an die Arbeit gehen. Gott sei dank habe ich ausreichend sportliche Kleidung zum Wechseln dabei, denn diese sind wahrlich nötig. Bis spät wird gearbeitet; und wer will, darf bis in die Nacht weitermachen.


Dritter Tag:
Jeder sagt, wie es ihm geht. Dies wird bald ein morgendliches Ritual sein. Die nächste Visualisierung, die mir nun überhaupt keine Schwierigkeiten mehr machen – ich liebe sie geradezu. Sie führt mich zu einem noch nie dagewesenem Erlebnis: Nämlich daß ich mich liebe! Wieder viel schreiben; diesmal fällt es mir gar nicht mehr schwer, denn ich habe mich ans Schreiben gewöhnt. Wo mir gestern noch ein wenig die Hand wehtat, freue ich mich heute über die Neuentdeckung und Bedeutung meiner Handschrift. Durch das Schreiben wallen in mir starke Gefühle auf, daß ich ganz energiegeladen bin. Mit diesen Gefühlen und dem Wissen über die Technik der Arbeit gestern, gelingt mir diese heute gleich viel besser. Ich bin viel konzentrierter und sicherer heute. Alle sind wir heute zentrierter und durch das gemeinsame Arbeiten zu einer Familie zusammengewachsen. Dadurch machen wir am späteren Abend die Arbeit zu einem gemeinsamen Spiel, welches uns noch stärker verbindet und befreit. Nach dieser Arbeit vollziehen wir draußen an einem Feuer einen symbolischen Akt, der uns alle besinnlich werden läßt. Unsere Entscheidung, die Arbeit und das Feuer haben uns gereinigt. Wir haben unseren alten Weg, der uns all unsere Probleme bereitet hat, verlassen und beginnen einen neuen zu betreten – ganz bewußt. Einige Zeit noch betrachte ich die reinigenden Flammen bevor ich mit wachem
und frohem Herzen schlafen gehe.


Vierter Tag:
Hinter mir liegt die erste Nacht, in der ich gut geschlafen habe. Ich fühle mich zufrieden. Visualisierung meiner eigenen Zukunft. Danach gleich eine andere hinterdrein. All die Visualisierungen werden mit geschlossenen Augen gemacht. Nachdem die letzte vorbei ist, sagen wir in dieser Stimmung jedem etwas von Angesicht zu Angesicht. Ich habe noch nie erlebt, wie stark die Augen tatsächlich Fenster der Seele sind. Jeder von uns hat ein Strahlen in den Augen, wie ich es noch nie wahrgenommen habe – ein wundervolles Erlebnis. Wir spielen Theater über uns selbst, was wir im Gespräch vertiefen. Es ist erstaunlich, was in jeder Begegnung mit anderen Menschen alles für Automatismen ablaufen, derer wir uns so gut wie nie bewußt sind. Hier lernen wir wacher zu werden/sein für unser eigenes Verhalten anderen und uns selbst gegenüber.

Visualisierung zur Versöhnung mit Mutter & Vater als Einstieg in das tiefere Verständnis für beide. Nach dem Mittagessen schreiben wir wieder viel. Noch nie in meinem Leben habe ich mir tiefere Gedanken über meine Eltern gemacht, nie habe ich auch nur ansatzweise versucht sie zu verstehen. Jetzt ist die Zeit, in der wir uns in unsere Eltern versenken, um sie gefühlsmäßig zu verstehen. All dies schreiben wir auf. Ich bin frustriert darüber, daß ich nicht in Fluß gerate – nur sehr wenig habe ich zu schreiben. Ich zweifle an mir, an dem Prozeß, will schon alles hinwerfen. Das geht sogar so weit, daß ich mir ausmale, meinen Job ebenfalls hinzuwerfen. Aber ich versuche es bis zum Schluß – auch wenn es nicht mehr wird, so bin ich doch dabeigeblieben! Danach machen wir eine Visualisierung, die mich umhaut. Ich habe noch nie so viel und heftig in meinem Leben geweint. DAS ist das Mitgefühl und die Liebe für meine Mama, die ich noch niemals ganz bewußt gefühlt habe. Hier ist sie! Und das gleiche bei meinem Papa – sogar noch intensiver. Mein Gott – wie können solche Gefühle nur vergraben sein? Der Abschluß dieser Visualisierung ist für mich so hell und schön, daß ich vor Überwältigung und Schönheit weine. Ich bin vollkommen befriedet und ganz in mir ruhend.


Fünfter Tag:
Heute holen wir unsere mitgenommenen Erinnerungsstücke hervor. In einer Visualisierung gehen wir nun über das Verständnis für unsere Eltern hinaus: Wir verzeihen ihnen. Niemand von uns kümmert sich mehr um Peinlichkeiten, so daß jeder in seinen Gefühlen ist. Ich weine nicht mehr, sondern es strömt aus meinen Augen und der ganze Körper bebt. Ich fühle mich so erleichtert, daß ich all dies nun erleben kann; und ich weiß, daß aus mir herauskommt, was immer schon in mir war. Die Visualisierung geht weiter mit einer Imagination, die ich hier nicht beschreiben möchte, um ihre Wirkung nicht zu rauben. Aber sie ist so sehr vorstellbar, daß sie als wirklich empfunden wird. Wieder erschüttert es meinen Körper und meine Seele. Dieser Imagination folgend, fahren wir an einen ganz bestimmten Ort, an welchem wir diese Imagination ohne Unterstützung der Therapeuten noch einmal durchführen. Obwohl ich durch äußere Einflüsse abgelenkt bin, kommen all die Empfindungen wieder in mir auf, so daß ich erneut diese Welle durchlebe. Am Schluß ist die Aufgabe, aufzuschreiben was ich in meinem künftigen Leben besser machen und verändern will. Besprechung über das draußen Erlebte, um herauszufinden, ob erreicht wurde, was dessen Sinn war. Ich bin erleichtert, daß dies bei mir der Fall ist: Ich habe meinen Eltern verziehen. Und ich liebe sie! Am Abend machen wir noch einmal die schon erwähnte Arbeit; diesmal mit soviel Freude, daß wir alle gemeinsam ins Singen kommen – eine wunderbare Gemeinsamkeit verbindet uns jetzt! Heute war ein guter Tag. Ich fühle mich erschüttert und ebenso befreit. Es hat sich etwas getan.


Sechster Tag:
Wut, Rache – das sind Begriffe und Gefühle mit denen ich mich nicht identifizieren möchte. Aber heute finde ich heraus, daß Derartiges sehrwohl in mir wohnt – und nicht zu knapp. Wir richten sie bewußt gegen unsere Eltern. Dies in einer ungefährlichen Weise einmal total auszuleben ist mir eine wichtige Erfahrung. Ich bin anschließend so leer, daß nun etwas anderes an deren Stelle tritt: Vergebung und Liebe. Jetzt bekommen wir eine Technik an die Hand, damit wir auch nach diesem Prozeß eigenständig an uns arbeiten können. Dies ist für mich einer der wichtigsten Punkte für eben diese Therapie. Ich weiß anschließend nicht nur, in welchem Mist ich festsitze, sondern ich lerne mich selbst zu befreien. Am Nachmittag wendet sich das Programm: Das ist der Teil, von welchem ich oben schreibe, daß diese Therapie Spaß macht. Ich verrate nicht mehr, als daß ich viel lache, tobe und auch sehr ergriffen bin – einfach nur ein dickes Dankeschön an die beiden Therapeuten!! Mit Theaterspielen und anschließendem freien Tanzen beschließen wir den Tag. Ich übertreibe nicht wenn ich sage, daß dieser Tag einer der schönsten in meinem Leben ist!


Siebenter Tag:
Wir sprechen darüber, was gestern das schönste, und danach das am wenigsten angenehme Erlebnis für jeden persönlich war; dies sagt vieles über den Betroffenen aus. Die Schlußsitzung ist eine große Visualisierung mit wundervollen Erlebnissen. Noch nie in meinem Leben habe ich mich vollkommener gespürt, so zentriert und liebend. Der eigentliche Prozeß ist mit einem Ritual abgeschlossen. Es wird mit gutem Festessen gefeiert.


Achter Tag:
Heute geht es nur noch darum, wie wir unsere Erfahrungen und die gelernten Techniken in den Alltag einbringen können, um weiter an uns zu arbeiten. Denn niemand hat behauptet, daß ich nach dieser Woche ein völlig neuer Mensch wäre. Nein, ich muß weiter an mir arbeiten! Dieser Prozeß ist das Aufbrechen der harten Schale – heraus klettern muß ich selbst. Mit einer wunderschönen Visualisierung verabschieden sich die beiden Therapeuten. Das “Märchen” ist aus. Es betritt ein wenig Leere die Bühne. Einige aus unserer Mitte fahren auch schon. Traurig sehe ich ihnen hinterher, denn jeder Einzelne ist für mich zu meiner Familie geworden. Nach dem Mittagessen führen einige die Arbeit fort, die uns soviel Spaß gemacht hat; auch tanzen wir wieder. Die Zeit nach dem eigentlichen Prozeß ist sehr schön, da ich jetzt Zeit habe, die anderen von einer anderen Seite kennenzulernen. Wir alle sind uns bewußt, daß wir uns jetzt auf eine ganz besonders tiefe Art und Weise kennen, wertschätzen und lieben. Bereits im Versuch die Arbeit gemeinsam fortzufahren zeigt mir, mit welcher Sicherheit die Therapeuten uns in dieser Woche geleitet haben. Denn wir fühlen uns nicht mehr ganz so sicher mit manchen Techniken. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich meine Hochachtung und meinen Herzensdank an beide Therapeuten aussprechen, von denen ich mich nie im Stich gelassen, mißbraucht oder fehlgeleitet fühlte.

Vielen Dank liebe Helen und lieber Werner!


Einige Tage später:
Mit starker Wucht reißt mich der Alltag aus diesem “Märchen”. Aber da war doch was…. ach ja: Achtsamkeit. Der Prozeß ist eine Lehre der Achtsamkeit. Ich habe Situationen hinter mir, bei denen ich vor dem Prozeß mir allem Verve in meine Verhaltensmuster gerutscht wäre. Aber ich habe es geschafft bewußt zu bleiben, so daß ich anders als sonst reagiert habe. Natürlich ist es das Ziel, nicht mehr bewußt gegensteuern zu müssen; aber bis dahin habe ich bereits ein Handwerkszeug mitbekommen, was mir auch jetzt schon hilft. Die stärksten Probleme sind natürlich auch nicht gleich verschwunden. Da gibt es auch niemanden, der mir diese Arbeit abnehmen kann. Aber diese Muster/Probleme verlieren an Energie. Ich habe neue Möglichkeiten erworben, an mir zu arbeiten – und etwas für mich ungeheuer Wichtiges: Ich habe eine neue Familie, die mich dabei motivieren kann!

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